Die Welt

01. September 2000

 
"Noteingang" erhält Aachener Friedenspreis

Würdigung einer Jugendinitiative für Zivilcourage - Doch nur jeder 5. Angesprochene hatte sich beteiligt

Von Michael Mielke

Bernau - Der Termin hätte - zwei Tage nach der Verurteilung der Mörder des Mosambikaner Alberto Adriano - passender kaum gelegt werden können: Heute bekommt die Bernauer Initiative "Noteingang" den Aachener Friedenspreis.
Die Aktion war 1998 in Bernau (Landkreis Barnim) ins Leben gerufen worden, nachdem dort wenige Tage zuvor am helllichten Tage ein Gambier und ein Vietnamese von rechtsextrem motivierten Tätern überfallen und misshandelt worden waren.

Das war der Anlass für eine Gruppe junger Leute, Inhaber von Geschäften und Vertreter öffentlicher Institutionen anzusprechen - mit der Bitte, an gut sichtbaren Stellen Aufkleber mit der Aufschrift "Wir bieten Schutz und Information bei rassistischen und fremdenfeindlichen Übergriffen" anzubringen. Dazu gehörte auch ein Fragebogen, auf dem sich die Angesprochenen anonym äußern konnten, wem sie bei einem Überfall helfen würden, warum sie bereit oder eben nicht bereit seien, diesen Aufkleber an ihren Räumen anzuheften.

Die Aktion "Noteingang", von anderen jungen Leuten weitergeführt, hat sich - bislang - auf 14 Brandenburger Kommunen ausgedehnt. Dabei sei die Reaktion der Angesprochen "durchaus verschieden" gewesen, erzählt der Sprecher der Initiative, Knut Steinkopf. So hätten in einigen Fällen sogar Bürgermeister sofort Ablehnung signalisiert. Auch habe es Ladeninhaber gegeben die unverblümt gesagt hätten: "Wir wollen mit Ausländern nichts zu tun haben. Denen helfe ich nicht." Andere hätten die Unterlagen zwar entgegengenommen - hernach "aber nichts mehr von sich hören lassen und auch keinen Aufkleber angebracht", sagt Steinkopf. Entscheidend sei zumeist gewesen, wie sich die jeweiligen kommunalen Vertreter dieser Problematik gestellt hätten. "Haben die den Daumen gesenkt oder Desinteresse gezeigt, dann gab es in der Regel auch keine positive Reaktion bei Geschäftsinhaber."

Unterm Strich haben nach Angaben des 29-jährigen Studenten der Erziehungswissenschaften etwa 200 von 1000 Angesprochenen den Aufkleber dann auch wirklich in ihrem Geschäft oder ihrer Institution angebracht. Für seine Gruppe sei die Aktion beendet. Was nicht bedeuten soll, dass es künftig keine "Noteingänge" mehr geben soll. Im Gegenteil, es habe schon Anfragen aus anderen Bundesländern gegeben wo Jugendgruppen die Aktion aufnehmen wollen.

Der Aachener Friedenspreis - die 2000 Mark Preisgeld sollen der Rathenower Flüchtlingsinitiative gespendet werden - ist bereits die zweite Auszeichnung für die "Aktion Noteingang". Im September 1999 erhielt sie den mit 20 000 Mark dotierten Preis der Heinrich-Böll-Stiftung. Das Geld hatte die Initiative für eine Informationsbroschüre mit dem Titel "Zivilcourage gegen Rassismus" verwandt.
 

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