30. September 2000

 
Telefonkette und Aktion "Notruf" als Antwort

Diskussionsrunde, wie rechter Gewalt begegnet werden kann

Der Schock über die Ausschreitungen beim Wohngebietsfest im Wittenberger Neubaugebiet sitzt immer noch tief. 40 bis 50 zumeist jugendliche Rechtsradikale hatten am Abend des 8. September Polizisten angegriffen, randaliert und faschistische Parolen gerufen (RUNDSCHAU berichtete). Am Donnerstag trafen sich auf Einladung der PDS im Neubaugebiet Bewohner, Politiker, Schüler, Lehrer, Polizisten und Juristen, um über aktive Möglichkeiten im Kampf gegen rechts zu diskutieren.

Die Veranstaltung, zu der ungefähr 60 Wittenberger gekommen waren, schien anfangs auszuarten in Schuldzuweisungen. Wolfgang Hänsch, Leiter der Wittenberger Kripo nahm seine Beamten in Schutz, die völlig in der Minderheit, mit der Situation überfordert waren. Ines Petermann, Leiterin der betroffenen Schule, auf deren Territorium das Fest stattfand, rechtfertigte die Reaktion des Lehrerkollegiums, aus dem Fest auszusteigen.

Nach einer Stunde aber besannen sich die Akteure der Diskussion auf das Suchen nach praktikablen Handlungsmöglichkeiten. So regte Karin Dübner an, für politisch Verantwortliche in der Stadt eine Telefonkette zu organisieren. "Dann können wir präsent sein, und erfahren es nicht erst aus der Zeitung."

In Arbeit ist ein Aufruf zur Aktion "Noteingang". An ihr können sich Geschäfte, Gaststätten und Institutionen der Stadt beteiligen. Ein einheitliches Symbol im Schaufenster zeigt Menschen, die sich bedroht fühlen, an, dass sie hier Schutz finden. Horst Dübner schlug vor, die Ausstellung, die zum 50. Jahrestag der Progromnacht 1988 in der Lutherhalle zu sehen war, und die eingelagert ist, wieder aufzubauen und an den Schulen zu zeigen. Ein Bürger, der den 2. Weltkrieg als junger Mann erlebte, hat sich spontan bereit erklärt, darüber in Schulklassen zu sprechen und mit den Kindern zu diskutieren.

Die Geschehnisse vom 8. September haben viele Wittenberger wachgerüttelt. Aber mit Unterschriften und Aktionsprogramm sei wenig gegen rechtsradikale Gewalt auszurichten, war man sich in der Runde einig. Man dürfe auch autonome Gruppen und Rechtsradikale nicht in einen "Topf werfen". Die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Symbolik der rechten Szene und die Förderung nichtrechter Strukturen in der Jugendarbeit forderten die Anwesenden als dringende nächste Schritte.Birgit Rudow
 

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